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Baunscheidt-Therapie

Baunscheidtieren - die Akupunktur des Westens

Am Anfang war eine Mücke, die den gichtkranken Carl Baunscheidt (1809 – 1872) im Sommer 1848 in seinem Garten in Bonn-Endenich stach. Erst ärgerte er sich über den sich stark rötenden Insektenstich. Dann wunderte er sich, denn seine Gichtschmerzen wurden besser, und ein paar Tage nach dem denk-würdigen Stich war das Leiden sogar ganz verschwunden. Das brachte den Naturwissenschaftler und Mechanikermeister auf die Idee, einen Nadelapparat zu konstruieren, den er „Lebenswecker" taufte. Als Baunscheidt am 1. Oktober 1872 in Endenich starb, verloren viele bekannte Persönlichkeiten einen engagierten Arzt. Ihm zu Ehren wurde in Bonn eine Strasse benannt.

Der Baunscheidt-Schnepper besteht aus einer Scheibe von zwei Zentimetern Durchmesser, bestückt mit 33 Stahlnadeln, die nur ein bis zwei Millimeter tief in die Haut dringen. Mit Hilfe einer Spiralfeder schnellt der Schnepper vor und behandelt die Haut gezielt. Neben dem Schnepper erfand Baunscheidt auch den Nadelroller, der einfach über die Haut gefahren wird. Es ist selbstverständlich, dass beide Apparate vor der Behandlung sterilisiert werden. Dem Baunscheidt-Apparat vertrauten viele: Er wurde von Millionen Menschen gekauft, zusammen mit dem unentbehrlichen Baunscheidt-Öl. Um das Baunscheidt-Öl rankte sich anfangs ein grosses Geheimnis. Es gab viele Spekulationen über die Ingredienzien, bis seine Urenkelin 1974 das Rezept einer Pharmafirma übergab. Nach Eigenversuchen stellte Baunscheidt sein Öl aus Kroton-, Senf- und Pfefferöl, Rainfarn, Schwarzpfeffer und Oliven zusammen – so war das Oleum Baunscheidtii erfunden, das übrigens verschreibungspflichtig ist.

Künstlicher Hautausschlag

Vor der Behandlung steht eine ausführliche Information des Patienten, damit er die Ausscheidungsvorgänge richtig interpretieren kann. Dann stichelt der Arzt mit dem Baunscheidt-Schnepper oder Nadelrolle die Haut, allerdings nur ein bis zwei Millimeter tief. Es sollen keine Bluttröpfchen austreten. Geschieht es trotzdem, was aber selten vorkommt, dann kann es als unbedeutend eingestuft werden. Der Arzt trägt nach dem Sticheln das Öl mit Wattestäbchen auf. Nach dieser Einreibung entsteht der künstliche Heilausschlag. Hier muss der Patient umdenken, denn mit Ausschlag verbindet man sonst Krankheit. Bei dieser Behandlung dagegen ist er ein positives Zeichen dafür, dass der Körper sich gegen eingedrungene Gifte oder Krankheitserreger wehrt. Nach 36 Stunden sind die Pusteln reif, und der Verband wird abgenommen. Die Bläschen sind mit sterilem Eiter oder Gewebeflüssigkeit gefüllt; sie stellen eine Entgiftung des Gewebes nach aussen dar. Mit einem sauberen Leinentuch werden die Pusteln ausgedrückt, sie trocknen dann nach einigen Tagen aus und verschwinden ohne Narben zu hinterlassen. Schon nach einer Woche ist die Haut wieder makellos – egal, wie sie auch ausgesehen haben mag.